Lisa läuft Marathon - Teil 7

Vor zwei Wochen bin ich wieder in Deutschland angekommen und eins der ersten Wörter, das mir zu Ohren kam, war: Grippewelle! Jeder kennt jemanden, den es jetzt auch erwischt hat, Erkältungsmedizin verbreitet sich über Mundpropaganda und Geheimrezepte werden unter der Hand weiter gegeben. Wo ich auch hingehe, umarmen sich die Menschen nicht mehr, sondern wedeln entschuldigend mit den Händen vor der Brust und strecken die Köpfe weit nach hinten: So wird sich dieser Tage begrüßt.

Mir war eigentlich klar: Das betrifft alle, außer mich. Ich komme aus der prallen Sonne, ich bin voll gestopft mit lauter guten Sachen, Serotonin, Vitamine, das ganze Programm. Mir kann gar nichts passieren. Deshalb hab ich vorsichtshalber auch alle Umarmungs-Verweigerer fest an mich gedrückt, Küsschen vergeben und entgegen genommen und Flaschenhälse und Plastikbecher kameradschaftlich geteilt. Angriff ist die beste Verteidigung?! Nach einer Woche hatten mich die Bazillen überrannt. Keine Chance. Irgendein hartnäckiges Bakterium scheint sich in meinen Lungenflügeln festgebissen zu haben. Es beschert mir Husten, Schnupfen, allgemeines Schwächegefühl, anfangs Frösteln und Schwitzen – hab ich was vergessen?

Also sitze ich zuhause, koche mir eine Hühnersuppe, wickle mir einen Schal um den Hals und lass die Joggingschuhe stehen. Das mache ich eine Woche lang, bis ich irgendwann anfange ungeduldig zu werden. Im Park überrunden sich die Jogger und ich denke: Wieso liegt ihr nicht krank im Bett, ihr Glückspilze? Ich rufe Gordon an und frage: „Was soll ich machen? Soll ich laufen? Ich kann doch nicht Däumchen drehen." Er sagt: „Mach keinen intensiven Sport. Wenn du wieder einsteigst, dann ganz locker. So lange, wie du krank warst, genauso lange machst du keine intensiven Einheiten. Null Verausgabung, dafür aber langsam den Kreislauf wieder in Schwung bringen." Irgendwann, als ich beschließe wieder zu laufen und das Leuten mitteile, sagen die zu mir: „Nein, mach’s noch nicht, du hustest doch noch, das kann aufs Herz gehen!" In der Apotheke sagt die Apothekerin: „Das müssen sie nach Gefühl entscheiden, ob sie trainieren. Ich würde mich nicht verausgaben, aber ein bisschen laufen hat noch niemandem geschadet." Währenddessen melde ich mich im Internet zu einem Halbmarathon am 17. März an. Wenn ich schon nicht richtig laufen kann, dann werde ich eben prophylaktisch aktiv. Aber wann sagt mir mein Körper denn, wann ich wieder laufen soll? Langsam fange ich an, mich untrainiert zu fühlen. Alles, was ich esse, trainiere ich nicht wieder ab und zu allem Überfluss hab ich auch noch gesteigerten Hunger auf Süßes und Fettiges. Das ist der Frust!

Sollte ich mich nicht eigentlich jede Woche steigern? Stattdessen mache ich Rückschritte, ich bleibe ja noch nicht mal auf meinem Trainingslevel, indem ich einfach weniger laufe, sondern muss meine Pause erstmal wieder aufholen. Aber was soll’s, meckern macht es auch nicht besser. Ich habe keine Wahl, als literweise Tee zu schlürfen und viel zu schlafen. Irgendwann wird es vorbei sein mit dem Spuk. Bis dahin aber reihe ich mich bestimmt nicht ein in die Umarmungs-Verweigerer, sondern verteile meine Bazillen ungefragt an jeden, der sie nicht haben will. Sie kommen sowieso – Angriff ist die beste Verteidigung!

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